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Newsletter n°3: Bericht von Kathleen Bühler

Fieldwork IV in Biel vom 31. Juli–6. August 2017

Bericht von Kathleen Bühler

Aus welchen Aktivitäten wird die «Robert Walser-Sculpture» im nächsten Sommer bestehen?Diese Abklärungen standen im Mittelpunkt der vierten Fieldwork in Biel, welche anfangs Auguststattfand. Was bedeutet ein Engagement innerhalb der «Robert Walser-Sculpture» und wievielPräsenz wird von den Mitmachenden erwartet?

Für Thomas Hirschhorn ist die «Robert Walser-Sculpture» ein Präsenz-und Produktions projekt, da erwährend der Dauer dieses Projekts im öffentlichen Raum präsent sein und täglich produzieren wird.Der Begriff bezieht sich jedoch nicht nur auf ihn alsKünstler und Autor, sondern auch auf allePersonen, die daran teilnehmen und aktiv daran mitwirken. Insgesamt wird die Skulptur 87Tagedauern und jeweils von 10bis 22 Uhr geöffnet sein (Eintritt frei). Thomas Hirschhorn wird im Rahmender «Robert Walser-Sculpture» also 1‘044 Stunden präsent sein und produzieren, ohne dazwischengeschaltete Ruhe-oder Sonntage. Seine Überlegung ist, einerseits durch seine Bereitschaft zu diesemriesigen Einsatz die Wichtigkeit dieser Skulptur zu unterstreichen und andererseits im Sinne einerSchenkökonomie (potlatch) ebenso zu grossem Einsatz und intensiver Auseinandersetzung auf Seitender Teilnehmenden und des Publikums zu animieren. Denn der Künstler ist der Überzeugung, dasswahre Kunst sich in Übertreibung und Verschwendung zeigt: «Il n’y a d’Art qu’en tant qu’excès et entant qu’exagération.Ce n’est que dans l’exagération que les choses ne mentent plus» sowie« L’Art doit risquer la transgression par l’excès. Je veux et je dois être excessif, je veux travailler dans l’excès et je veux être précis dans l’excès » («Dionysiac» (2005) in:Thomas Hirschhorn.Une volonté de faire,ed. Sally Bonn, Éditions Macula, Paris 2015, S. 68 ̶ 69).

Langsam zeigen sich die Konturen dieser grossen Skulptur, welche die Erkenntnisse der bisherigenKunstprojekte im öffentlichen Raum von Thomas Hirschhorn zusammenfasst und seine Vorstellungendes „Kunst politisch Machens“ umsetzt: wie etwa seine Adressierung des nicht-exklusiven Publikums.Der Künstler wendet sich nicht (nur) an die Kunstszene, sondern an alle. Aus diesem Grund strengt ersich besonders an, um Menschen zu erreichen, welche mit Kunst nichts am Hut haben,beziehungsweise noch gar nicht wissen, ob sie damit etwas am Hut haben. Denn entweder waren sienoch nie in einem Kunstmuseum oder einer Kunstgalerie und hat sich auch noch nie ein/e Künstler/inmit ihnen beschäftigt. Da Robert Walser selbst ein Aussenseiter war und eindiskretes Leben amRande der Gesellschaft führte, bemüht sich Thomas Hirschhorn, die sozial Randständigen,Alkoholiker, Suchtkranken oder sonstwie vorübergehend am Rand Befindlichen zuerst zu informierenund für seine Ideen zu gewinnen. „Kunst politisch zu machen“ im Unterschied zu „politischer Kunstmachen“, bedeutet mit der umgebenden Realität zu arbeiten: Themen und Bildern aus derTagespresse, Büro-und Verpackungsmaterialien sowie den Angeboten und Ereignissen, welcheschon in Biel stattfinden.Denn Kunst ist für ihn: «un outil de connaissance du monde, l’art est un outil de découverte du réel, l’art est un outil d’expérience du temps qui s’écoule. […] Je veux faire face au Monde qui m’entoure, je veux rester attentif et lucide. Je ne veux exclure personne avec mon travail, mais surtout je veux inclure par mon travail.» («L’art est un outil», in:Thomas Hirschhorn.Une volonté de faire, ed.Sally Bonn, Éditions Macula, Paris 2015, S. 48).

Die Feldforschungswoche im August hat gezeigt, wie Biel im Sommer funktioniert, ob die Menschenin die Ferien fahren oder eher in der Stadt bleiben. Denn dies wird sich als Stimmung auf die«RobertWalser-Sculpture»auswirken. In den Feldforschungstagen rund um den 1. August trafen wir also Menschen, welche sich für eine Kooperation interessieren und nun den Umfang ihres Einsatzesabschätzen. 87 Tage scheinen lang, doch da wir ein dichtes Programm zusammentragen, wird vielesgleichzeitig passieren, so dass die Zeit im Nu vergeht. So gab es in jenen heissen Augusttagen alsoGespräche mit Menschen, die am Auf-und Abbau mitwirken werden, die sich täglich für lautesVorlesen von Robert Walser Texten in ihrer Muttersprache verpflichten, welche die Projekteigene Zeitung produzieren oder täglich Vorlesungen zur Geschichte derStadt Biel machen werden. Bereitszeichnet sich ab, dass eine Kantine und eine Bar betrieben werden, welche täglich von 10 bis 22 Uhroffen stehen und zu günstigen Preisen verpflegen werden. Ausserdem wird es Sprachkurse–u.a. inEsperanto–geben sowie literarische Veranstaltungen und voraussichtlich täglich eine Vernissage.Wir bleiben am Ball. Die nächste Fieldwork findet im Oktober statt.

Kathleen Bühler, 29.08.2017

 

Bildergalerie

Fotos:© Enrique Muñoz García